Auch andere aktuelle Probleme, die die Welt bewegten, wurden im Rahmen der DGPA frühzeitig aufgegriffen. "Symbole, Rausch und Kreativität", in Freudenstadt 1972. Richard P. Hartmann, Arzt und Galerist, konnte umfangreiches Material vom Arbeiten mit Künstlern unter LSD vorlegen. Heute undenkbar, aber damals haben viele Berühmte mitgetan, u. a. A. Frohner, A. Hrdlicka, A. Rainer, K. Regschek, H. Staudacher und H.Trökes. Über separate Erfahrungen berichteten Arik Brauer und Hundertwasser. Die Ergebnisse waren sämtlich negativ, für den einzelnen Künstler eine abenteuerliche Erfahrung ohne Gewinn an Inhalt oder Form.
Bei dieser Tagung wurde das Präsidium neu gewählt: P.Rode für die Schweiz und Müller-Thalheim für Österreich. Geschäftsführend O. G. Wittgenstein.DieinternationalenVerbindungenkonntenausgebaut werden durch Kongress-Teilnahmen in Istanbul, Boston, Jerusalem und Verona. Im Gegenzug waren häufig ausländische Gäste bei unseren Veranstaltungen, insbesondere japanische unter der Führung von Yoshihito Tokuda. Das führte zu langjähriger Zusammenarbeit auf transkulturellem Gebiet.
1974 dann ein Großereignis: Die französisch-deutsche Gemeinschaftstagung in Besançon, der alten Reichsstadt. Dort, auf altem karolingischem Boden konnte visionär das Erlebnis der europäischen Zusammengehörigkeit vorweg genommen werden. Es ging um die Bilanz der Studien im Rahmen der SIPE und der DGPA mit interessanten Vergleichen zwischen den französisch- und deutschsprachigen Auffassungen und Erfahrungen. Damit war auch der Stoff für die folgende Tagung in Hannover gegeben.Angeregt durch die neueren linguistisch-strukturalistischen Forschungen der Franzosen lautete der Titel "Die Sprache des Anderen", als Gastredner dabei der Kultursoziologe Ernest Borneman.
Im Bemühen, noch weiter die auditive Kommunikation einzubeziehen, luden Igor Graf Caruso und Gerhart Harrer zu "Psychopathologie und Musik" nach Salzburg ein. Harrer arbeitete seit längerem mit Herbert v. Karajan in dessen Stiftung zur Erforschung der Musik-Akzeptanz und legte bemerkenswerte neurophysiologische Ergebnisse vor. Unter anderem berichtete Alfred Brauner/Paris über seine Arbeit mit Musik bei autistischen Kindern. Der erfreuliche Nebeneffekt dieser Tagung war die Gründung des "Dokumentations-Zentrum der DGPA", das am Psychologischen Institut der Universität Salzburg seine Heimstätte fand, betreut von Arnulf Reiter.
Immer wieder waren Auffälligkeiten im Leben und Werk berühmter Künstler Gegenstand der Untersuchung zwecks einer Zuordnung zu psychopathologischen Kriterien, so bei Goya, Redon, Rethel, Blechen, Munch, Hill und Josephson, Van Gogh und Alfred Kubin. Bei letzteren beiden konnte durch genauere biografische Erhebungen die ihnen verpasste Schizophrenie-Diagnose widerlegt werden. Es wurde also versucht, vom Einzelfall auf mögliche Gesetzmäßigkeiten zu schließen, so wie man sich auch heute wieder der kasuistischen Forschung erinnert.
Die großen Momente des Menschseins und deren Ausdruck waren naturgemäß wiederkehrende Themen, - von der Geschlechtlichkeit über Individuation, Lust und Leiden, bis zum Tod, und darüber hinaus. In Wil/StGallen war es die "Psychologie der Hoffnungen und des Glaubens" mit Erörterungen über Mythos und Mythopathologie und über die Ikonographie des Heiligen. Dort, es war 1978, wurde Walter Pöldinger zum schweizerischen Präsident gewählt, nach Christian Peter Rode, dem viele großzügige Verbindungen zur Pharmaindustrie zu verdanken waren, wodurch zahlreiche aufwändige Publikationen zur Sache ermöglicht wurden.
Die Aspekte der Endlichkeit und des Sterbens kamen in Köln zur Sprache. Besonders haften blieben die Ausführungen von Frau Kübler-Ross,Alfred Hrdlicka und Kurt Krenn, dem späteren Bischof von St. Pölten. Über Psychosexualität ging es in Wien hoch her, in der Stadt Freuds, Schnitzlers und Schieles, mit prominenten Rednern, u.a. Volmat, Strotzka, Berner, Leupold-Löwenthal, Peter Weibel und dem Psychiater und Regisseur Allahyari. 1982 wurde von Wittgenstein und M. Heuser in München der X. Kongress der SIPE organisiert, mit weitgespannten Aspekten der Psychopatholgie, von der allgemeinen Ästhetik und Kreativität bis zur Kulturgeschichte und -politik. Es kamen 80 Referenten aus 14 Ländern.
Die nächsten Tagungen befassten sich dann mit klinischen Belangen und mit Kunsttherapie,insbesondere unter dem Aspekt der psychischen Rehabilitation und Arbeit mit Behinderten und Kriegswaisen. Das war dann neuerlich in Wil/St.Gallen und an der Klinik Weinsberg, in jener Stadt der spekulativen und romantischen Medizin. Daher war es nahe liegend, 1985 zu einem unter die Haut gehenden Thema zurückzukehren, zu "Suizidalität und Kunst" oder Todessehnsucht und Kreativität, - wieder in Wien, diesmal der Stadt Weiningers, - mit wichtigen Beiträgen u.a. von O.A.Arnold, G.Benedetti, Ernst Fuchs, P.Gorsen, P. Hochgatterer, G. Rombold, D. Schnebel und W. Schurian. Bemerkt wurde eine differenzierende Haltung zur Suizidalität, dass sie vor allem beim künstlerisch Tätigen psychodynamisch nicht selten als Folge einer existentiellen Bilanz (Van Gogh) oder aus Allmachtsphantasien resultiert: "Es ist etwas Großes, sich jederzeit hinausschaffen zu können" (A. Kubin).
Diese zwanzig Jahre zeugen von viel Einsatz, Arbeit und Nachdenken. In der DGPA wurde immer der Sinn für ganzheitliches Denken gepflegt, auch der Mut zu Grenzüberschreitungen nach allen Seiten, stets in der Nähe zum musischen Ausdruck. Unsere Klienten werden gern als Grenzgänger bezeichnet, sind nicht auch wir solche? Einiges hätte besser gelingen können, manches aber wird bleiben und bedarf der weiteren Bemühung.