56. Jahrestagung
der Deutschsprachigen Gesellschaft für Kunst & Psychopathologie des Ausdrucks e.V.
Der Titel der diesjährigen Tagung «außerordentlich» soll auf eine Doppeldeutigkeit hinweisen. Einerseits können psychische Ausnahmeerfahrungen zu einem «Verlust der natürlichen Selbstverständlichkeit» (Blankenburg) führen und Menschen damit ausserhalb eines Ordnungsbereichs verrücken, so dass Ausdrucksformen fremdartig, bizarr oder schlicht unverständlich erscheinen und auch ein Verlust der Verständlichkeit die Folge ist. Andererseits können psychische Ausnahmeerfahrungen aber zugleich dazu führen, dass Außerordentliches in seiner positiven Konnotation hervorgebracht wird, wie es in künstlerischen Ausdrucksformen sich zeigt, so dass Kunst entsteht, die gesellschaftlich längst bis weit in den Kunstmarkt hineinreicht.
Psychiatrie wurde und wird nicht selten auch heute noch mit dem Thema der Ordnung in Verbindung gebracht, indem sich etwa ein gesellschaftlicher Anspruch an sie richtet, als Ordnungskraft eine klare Differenzierung von gesund und verrückt vorzunehmen und die Grenze von innerhalb und außerhalb psychischer und letztlich gesellschaftlicher Ordnung zu definieren.
Zugleich aber feiert dieselbe Gesellschaft die künstlerischen Ausdrucksformen in Galerien und Musemsausstellungen in den Arbeiten jener Künstlerinnen und Künstler, die mit und/oder aufgrund ihrer psychischen Ausnahmeerfahrungen eine Ausdruckskraft umsetzen. Nicht selten sind es dabei Außenseiter und Außenseiterinnen der Gesellschaft, die von den Rändern her gleichsam gesellschaftliche Normen und kulturelle Codes aufbrechen und infrage stellen – oder zumindest so gelesen werden. Denn mit dem Interesse an Außerordentlichem verbindet sich eine Sehnsucht nach Authentizität, wie diese in der modernen Kunst, in ethnologischen Museen mit ihren Objekten und Bildern außereuropäischer Kulturen, aber auch in Kinderzeichnungen oder eben künstlerischen Arbeiten von psychiatrieerfahrenen Menschen gesucht wurden und werden.
Solche Sehnsucht ist allerdings längst gebrochen und reflektiert, etwa im Begriff der kulturellen Aneignung, aber auch im Bewußtmachen der Kehrseiten eines außerordentlichen künstlerischen Schaffens psychiatrieerfahrener Menschen, wenn Entstehungsbedingungen im Leiden, in Einschränkungen, im Zwang, der Entmündigung, einer institutionellen Vereinnahmung u.a.m. in den Blick kommen.
Die DGPA-Jahrestagung 2025 versucht diesem Spannungsfeld, welches sich im Begriff «ausserordentlich» zeigt, Raum zu geben für Differenzierung, Problematisierung und Diskussion.
Vorschläge für Referate mit kurzem Abstract sind willkommen, gerne bis zum 31. Mai 2025 an: daniel.sollberger@pbl.ch
PD Dr. med. Dr. phil. Daniel Sollberger
Geschäftsführender Präsident der DGPA